Die Lage ist ernst

Die Corona-Krise hat die Rottal-Inn Kliniken fest im Griff. Die Zahl der Patienten, die an dem Virus erkrankt sind, steigt stetig. Der ärztliche Direktor Dr. Klaus Kienle erläutert der PNP die derzeitige Situation.

Die Zahl der infizierten Menschen im Landkreis Rottal-Inn steigt permanent. Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage?
Die Lage ist ernst und wie von der Wissenschaft angekündigt, steuern wir auf eine hohe Durchseuchung der Bevölkerung mit Coronavirus zu. Unsere Aufgabe ist es, den schwer erkrankten Patienten, die zum Teil vital bedroht sind, eine optimale Infrastruktur zu schaffen. Was wir mittlerweile aber auch gelernt haben, ist, dass sich die Lage täglich ändern kann.

Rottal-Inn hat im Vergleich zu den Nachbarlandkreisen die meisten Corona-Fälle. Woran liegt dies?
Wir wissen nicht, ob wir mehr oder weniger Corona-Fälle haben. Diejenigen Landkreise, in denen großzügiger getestet wird, werden statistisch gesehen auch mehr bestätigte Fälle aufweisen.

Wie ist die Lage an der Personalfront im Krankenhaus? Schon vor der Corona-Pandemie gab es einen Fachkräftemangel, hat sich dieser nun weiter verschärft?
Wie für alle Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens ist auch für uns die Corona-Krise mit dem Risiko eines Ausfalls großer Teile der Belegschaft verbunden. Dies ist auch zum Teil – glücklicherweise bislang in geringem Umfeld – schon jetzt der Fall.     

Wie schützt sich das medizinische Personal vor einer Ansteckung? Die psychische Belastung muss doch enorm sein, wenn man bedenkt, wie eng der Kontakt zu den Patienten ist?
Unser Fokus liegt auf zahlreichen Schulungen und Mitarbeiter-Informationen. Auch die Chefärzte und leitenden Pflegekräfte achten sehr sensibel auf mögliche Ansteckungsquellen ihrer Mitarbeiter und veranlassen entsprechende prophylaktische Maßnahmen. Wie Sie richtig erwähnen, ist die psychische Belastung erheblich – leider allerdings in einer derartigen Krisensituation unumgänglich. Diesbezüglich erhalten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Unterstützung von unseren Kollegen aus der Psychosomatik.

Gab es an den Rottal-Inn Kliniken schon einen Fall, dass sich Ärzte oder Pflegepersonal mit dem Corona-Virus infiziert haben?
Wir müssen leider bestätigen, dass bereits mehrere Ärzte und Pflegekräfte positiv getestet wurden. Diese befinden sich nun in Quarantäne und sind vom Dienst freigestellt.

Wie viele Corona-Patienten werden derzeit im Krankenhaus behandelt? Wie viele befinden sich auf einer Intensivstation?
Derzeit, Stand Freitag 12 Uhr, werden im Krankenhaus 53 Patienten behandelt, entweder mit Verdacht auf Corona oder bereits positiv getestet. Darunter befinden sich neun Patienten, die beatmet werden müssen.

Wie viele Beatmungsplätze stehen am Krankenhaus Eggenfelden zur Verfügung? Ist Nachschub in Sicht?
Derzeit können wir mindestens 20 Beatmungsplätze anbieten. Selbstverständlich sind wir schon aktiv, weitere Beatmungsmöglichkeiten zu realisieren. Wir haben damit unsere bisherigen Kapazitäten verdoppelt, das Ziel ist die Verdreifachung.

Hat die Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Notfall-Medizin? Werden Notärzte bei einer weiteren Ausbreitung des Virus überhaupt noch zu Verunglückten bzw. Patienten fahren, wenn sie dringend notwendig im Klinikum gebraucht werden?
Es gibt momentan keine Auswirkungen auf die Notfallmedizin. Die Notärzte werden auch weiterhin zu Einsätzen fahren.

Sind Fieberambulanzen am Klinikum geplant?
Hier wird zeitnah eine politische Entscheidung fallen.

Gesundheitsminister Jens Spahn soll Millionen Atemschutzmasken bestellt haben. Wie viele haben die Rottal-Inn Kliniken schon bekommen?
Wir haben bislang noch keine Unterstützung über das Gesundheitsministerium erhalten.

Sie haben in Zeitungsannoncen Personal für den Notfall gesucht. Wie war die Resonanz?
Beeindruckend positiv. Sowohl ehemalige Mitarbeiter aus sämtlichen Bereichen wie auch externe, ehrenamtliche Kräfte haben sich in einer Vielzahl gemeldet.

Wird das Gesundheitssystem bzw. die Krankenhauslandschaft nach Corona eine andere sein?
Davon müssen wir zumindest mittelfristig ausgehen. Zu glauben, dass mit Abflauen der Corona-Krise unmittelbar wieder der Alltag Einzug hält, ist unrealistisch. Alleine die Bewerkstelligung der bis dahin aufgelaufenen medizinischen Fälle wird einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen.

Was ist das Gefährliche am Coronavirus?
Dass die Ansteckungsgefahr höher ist als zunächst angenommen und es wohl zu einer hohen Durchseuchungsrate der Bevölkerung kommt. Sehr selten werden Patienten an diesem Virus sterben, aber die Infrastruktur der medizinischen Versorger ist stark beeinträchtigt.

Wie werden sich die nächsten Wochen entwickeln?
Das kann zum jetzigen Zeitpunkt keiner vorhersagen. Die fachlich fundiertesten Aussagen kommen meines Erachtens vom Robert-Koch-Institut. Diese Aussagen helfen uns Ärzten auch in der täglichen Entscheidungsfindung zum gebotenen Vorgehen.

Wie sähe das Worst-Case-Szenario aus?
Entsprechend den Hotspots in Italien, Spanien und USA. Darum ist es auch so wichtig, für dieses Szenario personell und apparativ gewappnet zu sein.

Auch bei der Medikamentenversorgung macht sich die Pandemie bereits bemerkbar. Es gibt bereits Apotheken, die ihre regulären Öffnungszeiten nicht mehr aufrechterhalten können, weil schlichtweg das Personal fehlt. Entweder auf Grund von Krankheit oder Schichtdienst, um die Ansteckungsgefahr so niedrig wie möglich zu halten. Gibt es Notfallpläne, um die kranken Menschen weiterhin mit lebensnotwendigen Medikamenten zu versorgen?
Die Arzneimittelkommission der Rottal-Inn Klinken befasst sich engmaschig mit diesem Thema und steht in regem Kontakt mit unserem Zulieferer. Selbstverständlich existieren Notfallpläne, zum jetzigen Zeitpunkt ist die medikamentöse Versorgung unserer Patienten jedenfalls gesichert.