Seit 200 Jahren unverzichtbar

Am 01. September 1818 wurde erstmals Blut übertragen - 1800 Konserven brauchen die Rottal-Inn Kliniken jedes Jahr

Es ist eigentlich ein ganz besonderer Gedenktag in der Medizin: am 1. September des Jahres 1818, also vor genau 200 Jahren, wurde die erste Bluttransfusion durchgeführt. Heute gehört diese Möglichkeit,  den Blutverlust von verletzten oder kranken Menschen mit Hilfe von Blutkonserven auszugleichen, zum medizinischen Alltag, vor zweihundert Jahren war es  nicht nur eine medizinische Sensation, sondern auch eine anfangs sehr umstrittene Methode, Menschen das Blut anderer Menschen zuzuführen. Doch die Ärzte von heute wissen durchaus, was sie an der Jubiläums-Erfindung haben, wie ein Besuch im Krankenhaus in Eggenfelden bestätigt.

An den Rottal-Inn Kliniken ist Privatdozent Dr. med. Gerald Dietrich zuständig für die Betreuung der Blutvorräte. Als Leiter der  Abteilung  für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Transfusionsmedizin hat er jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin und er hat sich auch mit den Anfängen dieser   Methode befasst: als „Vater der modernen Transfusion“  werde der britische Geburtshelfer James Blundell bezeichnet, der  intensiv und auch mit Hilfe von Tierversuchen die Möglichkeit der Blutüberragung erforscht hatte.  Am 1. September 1818 zwang ihn ein medizinischer Notfall dazu, die gewonnenen theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen, in einem Londoner Hospital leitete er Blut, dass zufällig im Hospital anwesende Personen gespendet hatten, in den Körper eines Patienten, der eine schwere Magenblutung erlitten hatte.  Nicht ganz 50 Stunden überlebte der Patient die Prozedur, „man hatte ja damals noch keine Kenntnis davon, dass es verschiedene Blutgruppen gibt und dass sich diese nicht immer vertragen“, so Chefarzt Dietrich. So sei es im Laufe der Jahre, als Bluttransfusionen immer öfter in Notfällen zum Einsatz kamen, letztendlich dem Zufall überlassen gewesen, ob der Patient die Prozedur überlebte.

Den Grundstein für die moderne Transfusionsmedizin legte dann fast 100 Jahre später der Wiener Arzt Karl Landsteiner, als er zusammen mit seinen Mitarbeitern zu Beginn des 20. Jahrhunderts  die Blutgruppen A, B, 0 und AB entdeckte. Mit der Zeit ging man von der direkten Transfusion zwischen zwei Menschen auf die indirekte Transfusion mittels einer Blutkonserve über. Dies wurde 1914 durch den Zusatz von Natriumcitrat möglich, das die Blutgerinnung außerhalb des Körpers verhindert. Eine Zuckerzugabe ermöglichte es, Blut zu lagern – bis heute hat sich an diesem System nichts Wesentliches geändert.

„Seit damals und bis heute gehört die Bluttransfusion zu den wichtigsten Waffen der Medizin, nicht nur, wenn es im Notfall um Leben oder Tod eines Patienten geht“, bestätigt Dr. Gerald Dietrich. In den  Rottal-Inn Kliniken sind es rund 1800 Blutkonserven, die alljährlich gebraucht werden, wobei dies eigentlich eine falsche Bezeichnung ist, denn: „Genau genommen sind es Erythrozytenkonzentrate, aber der Begriff  der Blutkonserve ist hat sich in der Bevölkerung schon seit langer Zeit durchgesetzt“, weiß der Mediziner. Gelagert sind die Plastikbeutel im Labor des Klinikums Eggenfelden in einem ganz speziellen Kühlschrank: „Die Konzentrate brauchen, um verwendbar zu bleiben, eine Lagerungstemperatur von exakt vier Grad, und zwar in allen Bereichen des Kühlschrankes – deshalb kommen hier auch spezielle Geräte mit Ventilatoren zum Einsatz“, erläutert Dr. Dietrich. Und es wird selbstverständlich auf das Verfallsdatum geachtet: „Was nicht innerhalb einer bestimmten eng gefassten Frist verwendet wird, das muss fachgerecht entsorgt werden“. Die Vorratshaltung ist übrigens eine „Wissenschaft für sich“, so der Mediziner: „Unsere Transfusionskommission setzt sich zusammen, dann wird der Verbrauch von Blut in einem bestimmten Zeitraum begutachtet und daraus ergibt sich dann, wieviel Blut von jeder Gruppe bevorratet wird“. Wobei es bei den Blutgruppen schon eine gewisse Rangordnung gibt: von Blutgruppen, die im Notfall auch Patienten gegeben werden können, die eigentlich eine andere Blutgruppe haben, ist immer etwas mehr auf Lager.

Geliefert werden die Konserven vom Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes in München, der wiederum auf Blut aus Spendenaktionen zurückgreifen kann: „Deshalb werbe ich auch gerne für die Blutspende, sie ist eine wirklich gute Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen, nicht nur nach schweren Unfällen, sondern auch bei schweren Krebsbehandlungen – eine Blutspende ist wirklich ein guter Dienst am Mitmenschen und an der Gesellschaft“.

Braucht ein Patient eine Blutkonserve, dann muss er sich um die Sicherheit der Behandlung heute eigentlich keine Sorgen mehr machen: „Es wird prinzipiell, auch im Notfall, die Blutgruppe bestimmt, jeder Patient wird aufgeklärt, wenn er nicht ansprechbar ist, dann führen wir das Gespräch  zu einem späteren Zeitpunkt“, so Dr. Dietrich.

Der Mediziner ist überzeugt, dass die Bluttransfusionen auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Es sei zwar bereits viel geforscht und experimentiert worden mit möglichen Ersatzstoffen, so richtig zufrieden könne man aber nicht sein: „Unser Blut hat sich im Laufe der Evolution entwickelt, es ist auf unsere Bedürfnisse gewissermaßen genau abgestimmt – es wird schwer fallen, diese Perfektion  künstlich zu erreichen“.

Vor dem Mut von James Blundell und den Forschungen von Karl Landsteiner hat Gerald Dietrich heute noch Respekt:  „Die Geschichte der Bluttransfusion, die vor 200 Jahren begonnen hat,  ist eine der ganz großen Leistungen der Medizingeschichte – und wir sind heute jeden Tag dankbar dafür, dass wir diese Möglichkeit haben“.